St. Michaeliskirche

Der Kanzelaltar mit Kruzifix

Altar der St. Michaeliskirche ZehrenDie Form des Kanzelaltars ist wohl die wichtigste liturgisch- künstlerische Schöpfung des Protestantismus auf dem Gebiet des Kirchenbaus. Er ist ein Ergebnis praktischer und theologischer Entwicklungen zwischen 1700 und 1800 und versucht, eine Entdeckung der Reformation in den Kirchenbau zu übersetzen. Das Augsburger Bekenntnis (Evangelisches Gesangbuch für Sachsen Nr. 807) hat das Wesen der Kirche „als die Versammlung aller Gläubigen, bei denen das Evangelium rein gepredigt und die Sakramente laut dem Evangelium gereicht werden“, bestimmt. Wort und Sakrament waren neu als Mittelpunkt des Gottesdienstes bestimmt. So sollten Kanzel und Altar gleichwertig zusammen gehören, weil sich Gott in ihnen auch gleichermaßen offenbarte. „Auf der Kanzel kündigt sich Gott an, auf dem Altar kehrt er bei der Gemeinde ein.“ – so beschreibt es ein Zeitzeuge. Im Zehrener Kanzelaltar stehen vor zwei seitlich übereckgestellten Pilastern (angedeuteten Wandpfeilern) je eine korinthische Säule mit reich gekröpftem Gesims. Die Segmentgiebel über der Kanzel sind nach der Mitte hin aufgebrochen und schaffen dem Symbol der Dreieinigkeit Gottes, dem Gottesauge in der Wolke mit Strahlenkranz, entsprechende Ausstrahlung. Der Gesamteindruck des Kirchenraumes wird von hellen, freundlichen Farben und reichlichem Lichteinfall geprägt. Gemessen an Hof- oder Residenzkirchen der gleichen Zeit ist die Ausstattung eher schlicht zu nennen. Dabei sind aber deutliche Gewichtungen zu erkennen, die sich z.B. in der Verwendung von Gold an Kanzelaltar, Taufstein und Orgelprospekt zeigen.

 

Gottesauge am AltarDas Gottesauge ist eine Symbolschöpfung des Barocks für Gottvater bzw. den dreieinigen Gott, die sich seit der zweiten Hälfte des 17. Jhs. verbreitet in evangelischen wie auch katholischen Kirchenausstattungen findet: ein menschliches Auge in einem Dreieck, umstrahlt von einem Strahlenkranz, oft auch von einem Wolkenkranz umgeben. In diesem Symbol sind eine Reihe von biblischen Bezügen miteinander verwoben. Das stets wachende, nie schlafende Auge Gottes steht für Gottes Allgegenwärtigkeit. (Siehe, der Hüter Israels schläft und schlummert nicht. Ps. 121,4). Blau gilt dabei als Farbe der Unendlichkeit und der Welt Gottes. Die Wolke symbolisiert die Welt Gottes, Gottes Verborgenheit und Gegenwart zugleich. In einer Wolke ist Gott Mose auf dem Berg Sinai erschienen (2. Mose 19,9). In Gestalt einer Wolke begleitet Gott sein Volk auf dem Weg durch die Wüste (2. Mose 40,36), durch eine Wolke wird Christus als der Auferstandene den Blicken seiner Jünger entzogen (Apg. 1,9). Auf einer Wolke wird Christus als Messias wiederkehren mit Macht und Herrlichkeit (Lk. 21,27). Blendendes, strahlendes Licht steht für Gottes Heiligkeit. Gott selbst ist Licht (Ps. 102,4). Mit der Geburt Jesu kam dieses Licht in die Welt (Joh. 1,9. 8,12). Altartisch und Kanzel werden optisch durch das Kruzifix verbunden. Der gekreuzigte und auferstandene Jesus wird auf der Kanzel verkündigt und kommt in Brot und Wein, die auf dem Altartisch ihren Platz haben, in seine Gemeinde. Der Altar ist der Ort, an dem die Gebete des Gottesdienstes gesprochen werden und das Abendmahl empfangen wird. Hier geschehen Konfirmationen, Einsegnungen und Trauungen.

 

Kruzifix mit Maria Magdalena

Kruzifix mit Maria MagdalenaUnter dem Kreuz kniet Maria Magdalena, die wie andere Frauen Jesus auf seinem Weg durch Palästina begleitet und unterstützt hat. Sie hält mit anderen Frauen unter dem Kreuz aus, während die Jünger bereits geflohen sind. Maria Magdalena ist bei der Grablegung Jesu dabei und vor allem unter den Frauen eine herausgehobene Zeugin des Auferstandenen (Joh. 20,11- 18). In bildlichen Darstellungen werden die Personen und Attribute von Frauen des Neuen Testaments vermischt: Maria Magdalena, Maria von Bethanien, die Schwester des Lazarus und die sog. große Sünderin, die mit ihren Tränen Jesus die Füße wusch und mit ihren Harren trocknete (Lk. 7,35f). Maria ist in der Zehrener Kreuzesdarstellung der Gemeinde als Vorbild vor Augen gestellt, die dem gekreuzigten Jesus die Treue hält und ihn als Auferstandenen erleben wird.